Kundenzentrierung braucht Führung, die Menschen begeistert:
Ein Interview mit Werner Illsinger, Präsident der 4Future Foundation
Alexandra Nagy [00:00:00]:
Werner, ich freue mich über unsere Kooperation mit der 4Future Foundation. Du bist ja Präsident dieser Foundation, dieses Vereins. Du warst selbst Global Business Manager bei Microsoft und dann auch Geschäftsführer bei Raiffeisen Informatik Consulting. Also ich glaube, man kann sagen, du hast sehr viel mit Digitalisierung, auch mit künstlicher Intelligenz bewegt. Gibt es vielleicht Dinge, die du jetzt tun kannst, die du vorher nicht tun konntest?
Werner [00:00:30]:
Die 4Future Foundation ist eigentlich aus einem Verein hervorgegangen, den wir im Jahr 1986 gegründet haben. Daher ist es nicht ganz was Neues, aber wir haben uns über die Laufe der Zeit den Vereinen auch in unterschiedliche Richtungen entwickelt. Der erste Verein war, wie meine ersten Jobs, auch technischer Natur. Also ich habe auch in der Microsoft als Techniker begonnen, im Vertrieb, Pre-Sales. Und da habe ich mich auch über die Zeit dann über den Vertrieb ins Management, in die Geschäftsführung entwickelt. Genauso entwickeln sich unsere Vereine über die Zeit. Wir haben noch immer einen Teil im Verein, der sich mit Technologie beschäftigt. Ein zweiter Teil im Verein, der ist vor 10 Jahren ungefähr gegründet worden, beschäftigt sich mit den gesellschaftlichen Auswirkungen der Technologie.
Werner [00:01:19]:
Und der dritte Aspekt hat sich dann mit der Transformation der Unternehmen durch die Digitalisierung beschäftigt, hat also alles durchaus Zusammenhänge mit Technologie noch immer, aber eben in unterschiedliche Richtungen.
Alexandra Nagy [00:01:31]:
Was würdest du denn jetzt sagen, wofür geht die 4Future Foundation?
Werner [00:01:37]:
Wir haben die Herausforderung und wenn man die Medien verfolgt, dann könnte man ja annehmen, dass alles ganz furchtbar ist. Also wir stecken in multiplen Krisen. Wir haben zuerst Covid gehabt, dann ist der Ukraine-Krieg gekommen, da haben wir dann die teuren Strompreise gehabt und damit hat sich dann die Wirtschaft irgendwie ins Abseits bewegt. Und jetzt steckt man schon das dritte Jahr in der Wirtschaftskrise und irgendwie haben wir das Gefühl, wenn man Medien hört, es ist alles ganz furchtbar schlimm. Ich glaube, man kann es vielleicht auch anders sehen und sagen, wir haben ganz, ganz großartige Dinge, die passieren auf dem Planeten, trotz all der schlimmen Sachen, die passieren, und die müssten wir eben entsprechend nutzen. Und unser Verein beschäftigt sich eben auch mit der Thematik, wo wollen wir denn mit unserer Zukunft hinkommen und wie wollen wir denn, dass unsere Zukunft aussieht. Da gehören im Grunde genommen mehrere Aspekte zusammen. Das eine ist eben wir Menschen selbst, also wo wollen wir uns hinbewegen, du und ich.
Werner [00:02:35]:
Die zweite Frage ist, wo wollen wir als Gesellschaft hin, was wollen wir denn in Zukunft für Gesellschaftsform haben und wie soll das alles ausschauen. Und die dritte Frage ist, wie wollen wir Wirtschaft gestalten? Und auch da eben, was können wir dazu tun, dass das alles möglichst positiv sich bewegt?
Alexandra Nagy [00:02:53]:
Wenn ich jetzt bei der Wirtschaft einhake, auch das Thema Unternehmen und das Thema Führungskräfte, Du selbst bist ja auch in der Führungskräfteentwicklung tätig, im Coaching, aber auch in Workshops, in unterschiedlichen Angeboten, die du für Führungskräfte anbietest, sie weiterzuentwickeln und sich genau auch dieser Zukunft zu stellen oder ihre Zukunftsfähigkeit weiterzuentwickeln. Was meinst du denn, was sind aus deiner Sicht ein, zwei wichtige Hebel in diesen Zeiten, die du jetzt gerade geschildert hast für Führungskräfte?
Werner [00:03:28]:
Ich glaube, dass wir in Wirklichkeit mehr Führung denn weniger brauchen, aber tatsächlich im Sinne des Wortes der Führung. Ich glaube, dass wir in vielen Unternehmen sehr oft dem Management verfallen, das heißt der Verwaltung der knappen Ressourcen und dem optimalen Einsatz dieser knappen Ressourcen und das ist ja Management. Ich bin wirklich überzeugt davon, dass zusätzlich zu Managementqualitäten wir viel, viel mehr Führungskalitäten benötigen und Führung bedeutet einfach voranzugehen und Dinge vorzuleben und Leute zu inspirieren und die eigenen Teams zu motivieren, weil wir auch aus diversen Forschungen wissen, dass nur ein ganz, ganz kleiner Teil der Menschen, die in der Arbeitswelt unterwegs sind, gerne arbeiten gehen. Das sind derzeit, ich glaube 2024 waren es exakt neun Prozent und wir in den Organisationen sehr oft auch Menschen sitzen haben, die vielleicht nicht mehr können, weil sie im Burnout sind oder vielleicht auch nicht wollen, weil sie sich mit den Dingen, die im Unternehmen passieren, gar nicht identifizieren können Und wir haben uns ja unlängst gemeinsam einen Film angesehen, da habe ich dann auch noch eine weitere erschreckende Zahl mitbekommen. Das waren 20 Prozent der Menschen im Unternehmen, die aktiv gegen das Unternehmen arbeiten. Das heißt, wenn man sich das in Summe anschaut, dann kann ich mir nicht vorstellen, dass man mit all diesen Zahlen einen Blumentopf gewinnen kann in Unternehmen. Dagegen zeigen andere Unternehmen, die eben viele Dinge vielleicht umgestellt haben und nicht mehr nach klassischen Methoden arbeiten, dass Menschen, die eben sehr motiviert sind bei dem, was sie tun, einen Sinn in ihrer Arbeit sehen, gerne in die Arbeit gehen und sich vielleicht am Sonntag freuen darauf, dass der Montag kommt, statt sich davor zu fürchten. Dass die 30 Prozent produktiver sind als andere Menschen. Und ich kann mir kein Managementprogramm der Welt vorstellen, das 30 Prozent mehr Arbeit aus einem Unternehmen herausholen kann oder auch die Kosten 30 Prozent reduzieren könnte.
Werner [00:05:26]:
Also da steckt aus meiner Sicht enorm viel drinnen. Und für all das braucht es eben Führung, die Menschen mitnimmt und die Menschen dazu motiviert, dann eben auch diese besonderen Leistungen zu bringen.
Alexandra Nagy [00:05:39]:
Das sind wirklich sehr, ja sehr starke Zahlen, die du da nennst. Und kleiner Sidestep, Du hast den Film angesprochen. Ich durfte schon bei einer eurer Veranstaltungen dabei sein, wo dieser Film gezeigt wurde. Für alle, die jetzt nicht dabei waren, der Film war über die Bank Fargo Wells und ich glaube der Titel lautet Dirty Money. Habe ich das richtig in Erinnerung?
Werner [00:06:02]:
Es ist eine Serie, die auf Netflix spielt und wenn ich mich erinnerlich erinnere, dann ist es Dirty Money. So heißt die Serie und da ist eben die Folge, die wir uns angeschaut haben, eine von denen. Und einen zweiten Film haben wir uns auch angeschaut, das war eine Arte Dokumentation über Arbeit ohne Sinn. Die ist sogar auf YouTube zu finden.
Alexandra Nagy [00:06:23]:
Also zwei konkrete Empfehlungen, die wirklich auch augenöffnend waren und haben sehr viel bei den Menschen, die mit uns dort gesessen sind, auch angeregt darüber zu diskutieren. Hat mir sehr gut gefallen. Wir haben über die 4Future Foundation gesprochen. Jetzt gehen wir ja, Kunde21 mit Top Service Österreich, mit euch gemeinsam in eine Kooperation. Wir stehen für das Thema Customer Experience, für das Thema Kundenorientierung, Service Exzellenz und du bringst mit deinem Netzwerk, weil hinter der Foundation steckt natürlich auch eine Community, stecken begeisterte Menschen, die genauso in der Zukunft arbeiten wollen oder mitgestalten wollen, wie du es jetzt auch geschildert hast. Und da geht es sehr stark um das Thema Führung, Sinn, Purpose oder auch Zukunftsfähigkeit. Was meinst du denn, wo überschneiden sich diese Themen oder wo gibt es gemeinsame Nenner?
Werner [00:07:21]:
Ich kann mir kaum vorstellen, dass man in einem Unternehmen begeisterte Kunden hat, wenn man nicht auch begeisterte Mitarbeitende hat, weil du hast sicher schon selbst auch die Erfahrung gemacht, wie das ist, wenn man einem Unternehmen in Interaktion tritt und man hat auf der anderen Seite jemanden, wo man so richtig merkt, dass der- oder diejenige gerade ziemlich gefrustet ist und ihr die ganze Geschichte gerade keinen großen Spaß macht. Also diese Dinge merkt man natürlich und auch wenn Mitarbeiter und Unternehmen nicht von ihren Produkten überzeugt sind, dann wird es ganz ganz schwer, diese Produkte zu verkaufen. Also ein Vertriebsmitarbeiter, der meint, dass die Produkte, die er vertreibt, Klumpert sind, wird wahrscheinlich es nicht einfach haben, diese Produkte irgendwie an die Frau oder den Mann zu bringen. Das heißt, Kundenzufriedenheit, Kundenbegeisterung ist aus meiner Sicht abhängig davon, dass ich auch im Unternehmen begeisterte Mitarbeitende habe und überzeugte Mitarbeitende habe. Und sowohl bei Kunden als auch bei Mitarbeitern ist ja die Begeisterung sozusagen der beste Werbeträger, weil die Kunden erzählen weiter, wenn sie ein tolles Erlebnis gehabt haben oder mit einem Produkt begeistert sind. Sie erzählen aber glaube ich zehnmal so oft weiter, wenn das Produkt vielleicht nicht den Erwartungen entspricht oder vielleicht man eben ein negatives Ergebnis gehabt hat. Das heißt, die Dinge hängen ja sehr, sehr stark zusammen Und daher ist natürlich auch mein Thema oder mein Herzensthema da, die Führung, ganz, ganz wichtig, weil ja die Führungskräfte genau dieses Vernetzen dieser Aspekte in den Händen halten und dafür sorgen können, dass die Informationen fließen, dass man aus den Informationen, die man bekommt, auch Verbesserungen einleitet oder dass man auch das Lob vielleicht weitergibt an die Menschen, die damit zu tun hatten. Das heißt, Führungskräfte haben eben da einen ganz, ganz wichtigen Aspekt und ich glaube nicht, dass man die Themen getrennt voneinander überhaupt betrachten kann.
Alexandra Nagy [00:09:19]:
Da sind wir natürlich ganz deiner Meinung. Wir haben ja auch letztes Jahr zum Thema kundenzentrierte Führung eine große Veranstaltung gehabt, weil wir auch erkannt haben, wie wichtig die Rolle der Führungskräfte auch in der Kundenzentrierung, in der Kundenausrichtung ist und welche wichtige Rolle die Führungskräfte da dabei spielen und mit eurer Expertise können wir das auch noch ein Stück erweitern. Da freuen wir uns schon sehr darauf. Jetzt schauen wir nach vorne, der Blick nach vorne. Was erwartet denn eure, unsere gemeinsame Community in Zukunft? Worauf darf man sich freuen in unserer Kooperation aus deiner Sicht?
Werner [00:10:00]:
Ich glaube, dass es viele, viele Veranstaltungen gibt, die sich auf Tools richten. Das heißt, im Normalfall ist es oft so, dass Unternehmen Werkzeuge suchen, ihre Probleme zu lösen. Und du hast vorhin berichtet, dass ich bei Microsoft lange Zeit war. Also ich habe dort 18 Jahre verbracht und war dort auch im Vertrieb tätig. Und wir haben als Microsoft natürlich auch immer versucht, unsere Tools zu verkaufen. Da war es dann natürlich immer so, dass wir gesagt haben, naja, also wir haben einen SharePoint-Server, war damals gerade in, und welche Probleme könnte man denn mit SharePoint lösen und dann haben wir versucht von dem Tool ausgehend unsere Probleme zu finden. Und mein Glaube ist, dass das exakt die verkehrte Richtung ist. Es ist halt oft viel viel einfacher zu sagen, ich suche mir jetzt ein Tool und versuche damit meine Probleme zu lösen, als das Problem selbst anzugehen.
Werner [00:10:51]:
Weil dazu muss ich mich mal selbst quasi in den Mittelpunkt stellen und einmal schauen, wie ist denn mein Beitrag zum Problem und was kann ich denn an mir verändern, damit es in Zukunft anders wird? Und ja, vielleicht brauche ich dann auch ein Tool und mit dem kann ich das dann leichter lösen. Aber ich glaube, dass zum Beispiel eben bei unserer agilen Bewegung, die ja in den letzten Jahren oder Jahrzehnten sogar schon unterwegs war, Wenn man das Wort agil nennt, dann ist es ja oft so, dass die Menschen dann sagen, du lass mich in Ruhe damit, das haben wir alles probiert und das ist alles nichts geworden. Ja, weil ich glaube, dass sich niemand auf den Kern des agilen Manifests fokussiert hat und geschaut hat, warum denn die Herrschaften sich damals in die Utah getroffen haben und über das Thema Softwareentwicklung gesprochen haben. Die haben nämlich nicht über Tools geredet, sondern die haben gesagt, bitte stellt den Kunden in den Mittelpunkt, bitte versucht,
Alexandra Nagy [00:11:45]:
die Probleme
Werner [00:11:46]:
zu lösen und schaut, dass wir schneller werden als irgendwelche jahrzehntelangen Releases bei Software. Und was haben wir daraus gemacht? Wir haben versucht, dann mit Kanban-Boards und Scrum und sonstigen Dingen das einzuführen und damit die Unternehmen dann halt agil zu machen. Hat es geklappt? Nein. Das heißt, ich würde es gerne umdrehen und ich fürchte, es ist zwar der unbequemere Weg, aber er funktioniert, nämlich Menschen in den Mittelpunkt zu stellen und zu schauen, wie wir uns verändern müssen, damit wir die anstehenden Herausforderungen, die es derzeit en masse gibt, bestmöglich lösen können. Und das ist in Wirklichkeit auch unsere Community. Das heißt, wir schauen darauf, welche Herausforderungen gibt es denn, welche Probleme haben die Unternehmen, Welche Erfahrungen gibt es vielleicht in anderen Unternehmen, die wir schon nutzen können, wenn es schon einmal einer versucht hat und vielleicht was geschafft hat? Vielleicht können wir auch Erfahrungen nutzen und das hört man leider viel zu wenig, oft wenn Unternehmen was probiert haben und es hat nicht geklappt, weil Da trauen sich die großen Unternehmen nämlich weniger, reden darüber, als die kleineren. Also bei den Startups gibt es solche Fuck-up-Nights, wo wir auch schon welche veranstaltet haben, die freiherzig erzählen, warum sie denn sozusagen mit ihrem Unternehmen gescheitert sind. Und das sind natürlich die Learnings, die man mitnehmen kann, wo man sagen kann, naja, wenn es so nicht geklappt hat, wie könnte man es denn anders versuchen? Und aus dem heraus dann dann mal wissen, sozusagen, wo die Herausforderungen sind, dass man dann überlegt, wie kann ich das unterstützen, damit ich dort hinkomme, wo ich denn hinkommen möchte.
Werner [00:13:17]:
Und ja, vielleicht spielen dort auch Technologien eine Rolle. Und wir verstehen Technologien. Also da kann man dann durchaus unsere Expertinnen und Experten dazu ziehen. Aber ich glaube, es ist viel, viel besser, aus der Richtung zu kommen. Wie müssen wir die Probleme angehen und was fehlt uns denn? Und genau darum dreht sich sozusagen diese Community.
Alexandra Nagy [00:13:37]:
Dann freuen wir uns auf sehr viele Teilnehmende bei den nächsten Veranstaltungen, die wir in eurem wunderschönen 4Future Space mitten in Wien am Graben stattfinden lassen. Und wir freuen uns auf viele gute Gespräche und sind schon gespannt, welche tollen Dinge sich daraus ergeben werden. Dankeschön.